Ende 2023 hat namuk gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut LINK eine Studie zur Outdoor-Zeit von Kindern durchgeführt. 1046 Eltern aus der Schweiz wurden befragt. Gemeinsam mit Philipp Ramming, Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologe, habe ich über die Ergebnisse gesprochen. Viele seiner Aussagen regen zum Nachdenken an – und womöglich sogar zum Umdenken?
“Ein Mischung aus Wunschdenken und Vorurteilen”
“Die Eltern träumen davon, dass ihre Kinder draussen spielen - wie Winnetou und Old Shatterhand", sagt er zum Einstieg in unser Gespräch. "Ich sehe in diesen Studienergebnisse eine Mischung aus Wunschdenken, Gesundheitsphilosophie und Wochenenderfahrungen. Es zeigt die Sehnsucht der Eltern und wenn man sie darin unterstützen könnte, dies umzusetzen, wäre das sehr hilfreich.”
Im Rahmen der Studie haben zwei Drittel der befragten Eltern (68 Prozent/w, 69 Prozent/m) angegeben, dass sie mehr Zeit an der frischen Luft verbracht haben, als sie selbst noch Kinder waren. Und 91 Prozent der Eltern wissen laut eigener Aussage, dass ihr eigener Einsatz einen wesentlichen Einfluss auf die Outdoor-Zeit ihrer Kinder hätte. Wie aber kann es dann sein, dass Schweizer Kinder im Durchschnitt nur noch 1,5h am Tag draussen an der frischen Luft sind? Vor allem, wenn da bereits der Schulweg, Pausen, Freizeitaktivitäten usw. eingerechnet sind?
“Das ist ein Spagat, der zerreisst einen”
Philipp Ramming sagt dazu: “Freizeitgestaltung ist heutzutage eine Frage des Familienmanagements geworden.” Er beobachte einen Trend: “Die Eltern sind umweltbewusster. Es gibt da eine Bewegung, die versucht, umwelt-kompatibler zu werden. Aber das kostet Zeit und gerät schnell in Konflikt mit dem Wunsch Karriere zu machen. Das ist ein Spagat, der zur Zerreissprobe werden kann. Auch zwischen den Eltern.”
Aus seiner Sicht sei es die wirtschaftlich angespannte Lage, die hier “ein anderes Lebensmodell” verlangt: “Am Morgen werden die Kinder in der Kita deponiert, die dann auch für die Outdooraktivitäten verantwortlich ist. Aber der Traum wäre doch - wie früher - das Leben auf dem Bauernhof.” Der Fachpsychologe sagt, der Druck auf die Eltern, alles unter einen Hut zu bekommen, sei sehr gross und alles viel zu “hochgetaktet”.
“Ist am Ende des Tages überhaupt noch die Kraft da?”
Allgemein sehe er durchaus das Bewusstsein bei den Eltern: “Aber es ist eine Frage der ‘psychischen Organisation’ der Familie. Ist am Ende des Tages überhaupt noch die Kraft da, um mit den Kindern in die Natur zu gehen?” Es sei völlig klar, dass es für die Psyche aller Familienmitglieder gut wäre, mehr Zeit draussen zu verbringen.
Auf die Frage, wen wir hier in die Verantwortung nehmen müssten, antwortet der Kinderpsychologe: “Eigentlich müssen wir die Städteplaner in die Pflicht nehmen. Städte sind kinderfeindlich. Wir brauchen mehr kleine Spielgebiete.” Laut dem Experten wäre es ein Fehler, beispielsweise den Schulen noch mehr Druck zu machen. Als positives Beispiel nennt er Waldkindergärten. “Wir müssen Lücken definieren und das, was schon gut läuft, unterstützen", sagt Ramming. Dabei denke er zum Beispiel auch an das Vitaparcours-Angebot. Auf die Frage, ob er im Rahmen der Erziehungsberatung den Familien rate, mehr Zeit in der Natur zu verbringen, sagt der Psychologe, dass er bewusst keine Ratschläge gibt, sondern vielmehr “unterstützt”. “Viel wichtiger ist es, den Familien Outdoor-Tätigkeiten zu ermöglichen. Da müssen wir unterstützen”, sagt er.
“Wir müssen die Umsetzung erleichtern”
Zum Abschluss des Gesprächs frage ich ihn, warum die Zeit in der Natur aus seiner Sicht für unsere Kinder so wertvoll ist? Er antwortet: “Begreifen beginnt beim Greifen und in der Natur sind die Dinge greifbar und erfahrbar. Draussen haben die Kinder die Möglichkeit herauszufinden, was sie können und was nicht. Es ist nicht nur gesund für den Körper. In der Natur nehmen wir uns wahr - durch Bewegung - und lernen uns selbst zu schulen.”
Einen Schlüssel für eine positive Zeit draussen sieht der Kinderpsychologe darin, die Dinge zusammen zu machen. “Dann haben wir ein Dreieck von ‘Natur, Eltern und Kind’. Es entsteht ein Austausch zwischen allen drei Parteien.” Philipp Ramming hebt hervor: “Das Bedürfnis Zurück zur Natur ist unendlich.” Und er hält abschliessend fest: “Wir müssen die Umsetzung erleichtern.”